Beschreibung
Unter Schlagwörtern wie postkoloniale Kritik, Woke oder Cancel-Culture breitet sich eine neue Form politischer Korrektheit aus. Dabei geht es weniger um empirisch fundierte Einsichten als um Sprachregelungen, mit denen sich deren Verfechterinnen und Verfechter gegenseitig bescheinigen, auf der einzig richtigen Seite zu stehen. Und die daraus das Recht ableiten, diejenigen zu zensieren oder zum Schweigen zu bringen, die diesen Regelungen nicht folgen.
In den Essays und Erzählungen seines neuen Buchs, das den Postkolonialismus im Untertitel führt, setzt Hans Christoph Buch sich vehement zur Wehr gegen schreckliche Vereinfacher. Der Autor weiß, wovon er spricht: Seine Großmutter stammt aus Haiti, und er hat afrikanische und andere Krisengebiete der ganzen Welt als Reporter bereist. Was ihn von Kriegs- und Katastrophentouristen unterscheidet, ist sein kulturelles Gedächtnis, der historische Tiefgang und ein erzählerischer Elan, der die Lektüre zum Leseerlebnis macht: von Hark Olufs, dem von Rifpiraten versklavten Schiffsjungen aus Amrum, über Lettow-Vorbecks »treuen Askari«, der im KZ starb, vom Fahrradtouristen, der ein Todeslager in Guinea mit knapper Not überlebt, bis zum Mord an Haitis Staatschef Jovenel Moïse reicht der Spannungsbogen.
Leseprobe:
Ostern 1968 stieg ich zum ersten Mal in Haiti aus dem Flugzeug. Es ist ein schwer definierbares Gefühl, als Weißer durch die Straßen von Port-au-Prince zu laufen, angestaunt von schwarzen Kindern und verfolgt von selbsternannten Guides, die mir den Weg zum nächsten Hotel oder Bordell zeigen wollten. »Blanc, ba‘m youn dola« – »Weißer gib mir einen Dollar!« Der Ruf gellt mir noch jetzt in den Ohren.
Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut, weil ich plötzlich nicht mehr als ein Individuum, sondern als Angehöriger einer Rasse galt … eine existentielle Verunsicherung, die Migranten ständig zu spüren bekommen. Das Erstaunlichste aber war, dass mir keinerlei Aggression entgegenschlug, obwohl die Haitianer, deren Vorfahren aus Afrika verschleppt und versklavt worden waren, Grund genug gehabt hätten, mir böse zu sein nach all dem, was Europäer und Nordamerikaner ihnen angetan hatten.
»Ich bin ja nicht nur Deutscher, Romanautor und Reporter. Meine Großmutter war Kreolin, mein Großvater ging als Apotheker und Botaniker nach Haiti, wo er begraben liegt. All das steckt in mir. Wir sind alle viel mehr, als wir wahrhaben wollen.«
HC Buch im Gespräch mit Arno Widmann, Frankfurter Rundschau
Pressestimmen
Tagesspiegel Peter von Becker
Mit reicher eigener Erfahrung und eindrucksvoller geschichtlicher, kultureller Bildung führen Buchs Texte viele vereinfachende neue Stereotype ad absurdum. Hochinteressant, wie hier Buch ganz nebenbei mit Anton de Kom [Wir Sklaven von Suriname, TRANSIT 2021], einem aus Suriname stammenden Autor, der 1945 von den Nazis umgebracht wurde, auch einen ›Klassiker der Kolonialismuskritik‹ entdeckt … Hans Christoph Buch zu lesen heißt mehr zu wissen.
16.10.2022
Gießener Allgemeine
Er ist der Globetrotter unter Deutschlands Literaten: Es gibt kaum eine Weltgegend, die Hans Christoph Buch in seinen knapp 78 Lebensjahren nicht schon bereist und als Reporter, Essayist oder Romanautor beschrieben hätte. Umso mehr nerven den Berliner Schriftsteller vereinfachende Weltsichten. Diese sieht Buch im sogenannten postkolonialen Diskurs und bei der »Wokeness«-Bewegung gegeben, wonach – grob gesagt – alle Übel dieser Welt von alten weißen Männern ausgingen.
3.6.2022
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Augsburger Allgemeine Uwe Wittstock
… Vielleicht liegt es am Übermaß des Elends, von dem Hans Christoph Buch zu berichten hat, dass er zwischen die faktengesättigten Reportagen immer wieder seiner literarischen Fantasie freien Lauf lässt und kurze Erzählungen einstreut. Sie wirken wie letzte Utopien in einer unheilen Welt. Oder wie der Versuch, der Vergangenheit, die einen falschen, gewaltsamen Weg nahm, den Traum einer besseren Entwicklung entgegenzustellen. Zu alledem scheut er nicht den Streit mit sogenannten postkolonialen Aktivisten hierzulande, die stets handliche Erklärungen bereit halten für alle Probleme der notleidenden Länder. … Buch will sich von sicherlich wohlmeinenden Leuten, die eher selten ihren Schreibtisch verlassen, nicht über die Zustände in Ländern belehren lassen, die er oft und manchmal unter Einsatz seines Lebens bereist hat.
11.5.2022
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Ethische Rendite Michael Vaupel
Den Autoren schätze ich besonders deshalb, weil er in der Tradition der Krisenjournalisten steht, welche sehr gut schreiben können – weshalb ich seine Bücher auch keinem klaren Genre zuordne. … er besitzt meiner Ansicht nach sowohl eine feine Beobachtungsgabe als auch die Fähigkeit, eine gute Geschichte zu schreiben. Chapeau! …
Sein neues Buch nun beschäftigt sich in erster Linie mit dem Kontinent Afrika. Eins machte mich stutzig: Dem Buch ist die Überschrift „Postkoloniale Notizen“ zugeordnet. Postkolonialismus, ist das nicht die neueste „woke“ Mode, mit plattem „weiß-schwarz“-Denken inklusive Aufregungshysterie und moralischer Selbstbeweihräucherung? Möglich. Davon fand ich aber in diesem Buch nichts.
Denn die Geschichten, die Hans Christoph Buch erzählt, sind nicht „schwarz – weiß“ im Sinne von da die Guten..da die Bösen…
FAZIT: Für mich eine äußerst gelungene Mischung, die mich an eine Mischung von Christian Kracht („Imperium“) und den polnischen Reiseschriftsteller Ryszard Kapuściński (er ruhe in Frieden) erinnert hat. Und das meine ich definitiv als Kompliment.
Insofern von mir aus klares Daumen hoch für diese interessante Neuerscheinung.
9.5.2022
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Badische Zeitung Hartmut Buchholz
»Nächtliche Geräusche im Dschungel« ist ein Kompendium des Disparaten, ein Mosaik aus Texten, die inhaltlich wie formal höchst unterschiedlich sind. Die Bravourstücke des Bandes – jene gleichsam rhapsodischen Erzählungen, die das Faktische historischer Überlieferung aufweichen und Geschichte um eine Möglichkeitsdimension bereichern, in die pure Fiktion. In diesen Prosaminiaturen mutiert der Kriegsreporter Hans Christoph Buch wieder zum Schriftsteller – und das ist gut so, denn gerade hier zeigt er sich als grandioser Erzähler. Das Buch ist ein gewichtiger Beitrag zu aktuellen Diskussionen zur Kolonialgeschichte und, dies vor allem, eine wohlgezielte Attacke auf eine Political Correctness, die vor allem von Sprachregelungen und Geschichtsklitterungen geprägt ist.
26.4.2022
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Literaturkritik.de Michi Strausfeld
… der Autor nimmt uns mit nach Südafrika, Guinea oder Nigeria und erinnert dabei an die Berliner Kongo-Konferenz, an Kaiser und Reich und verweist auf die grausamen Folgen dieser Aufteilung des Kontinents. Er erweitert seine Impressionen durch einschlägige Lektüre im Kapitel Literarischer Exkurs, bevor er uns dann in die Traurigen Tropeneinlädt, nach Mauritius, Suriname, Kuba und natürlich nach Haiti. Buch fragt sich, ob es Gemeinsamkeiten in der Karibik gibt und hält fest „Kehrseite der materiellen Armut Haitis wie der Karibik insgesamt ist ihr kultureller Reichtum, der Staats- und Sprachgrenzen überschreitend … zu besichtigen ist“. Das gilt insbesondere für Musik und Tanz, aber auch für Kunst, Malerei und Skulptur.
Eine Kurze Geschichte des Voodoo-Kults klärt einige Missverständnisse, die vor allem in Deutschland auf die Lektüre von Hubert Fichte zurückgehen. Auch hier schöpft der Autor seine Erkenntnisse durch Studium und auch eine persönliche Initiationserfahrung. Sein Fazit: „Haitianischer Voodoo ist ein LSD-Trip ohne LSD, der als Horrortrip enden kann“.
Der letzte Teil, Kreuz des Südens, führt nach Managua und Paraguay, und dazwischen steht ein Text über die Expedition von Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied in Brasilien 1815–1817. Buch beschäftigt sich mit dem unbekannt gebliebenen Hofjäger und Tierpräparator der Gruppe, der Nächtliche Geräusche im Dschungel beschreibt. Sie sind für den Leser eine vergnügliche Lektüre – und eine sichere Erkundung des Dschungels aus der Ferne.
Man möchte melancholisch den Seufzer von Hans Magnus Enzensberger wiederholen: Ach, Europa! Das Verhältnis von Europa und der früher als Dritten Welt bezeichneten Kontinente Asien, Afrika und Lateinamerika ist von so viel historischem Unrecht und aktueller Ungerechtigkeit geprägt, dass man sich nur schwer Lösungen aus der toxischen Problematik vorstellen kann. Texte wie die von Hans Christoph Buch schärfen in jedem Fall das Bewusstsein für viele soziale Missstände und persönliche Nöte, und sie wecken Empathie: notwendige Voraussetzungen für ein allmähliches Umdenken unseres Eurozentrismus
4.4.2022
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Büchermagazin 3/2022
In den Essays und Erzählungen seines neuen Buchs, das den Postkolonialismus im Untertitel führt, setzt Hans Christoph Buch sich vehement zur Wehr gegen schreckliche Vereinfacher. Der Autor weiß, wovon er spricht: Seine Großmutter stammt aus Haiti, und er hat afrikanische und andere Krisengebiete der ganzen Welt als Reporter bereist. Was ihn von Kriegs- und Katastrophentouristen unterscheidet, ist sein kulturelles Gedächtnis, der historische Tiefgang und ein erzählerischer Elan, der die Lektüre zum Leseerlebnis macht.
dpa, Schwäbische Zeitung
Es gibt kaum eine Weltgegend, die Hans Christoph Buch in seinen knapp 78 Lebensjahren nicht schon bereist und als Reporter, Essayist oder Romanautor beschrieben hätte. Umso mehr nerven den Berliner Schriftsteller vereinfachende Weltsichten. Diese sieht Buch im sogenannten postkolonialen Diskurs und bei der „Wokeness“-Bewegung gegeben … Buch wettert gegen eine politische Korrektheit, die die Dinge nicht beim Namen nenne, und präsentiert seine eigene Welt- und Geschichtsbetrachtung.
10.3.22