Beschreibung
Der Roman spielt in Podlasien, einer wilden, dünn besiedelten Region im Nordosten Polens, begrenzt von Litauen und Belarus. Mischa, aus einer streng gläubigen russisch-orthodoxen Familie stammend, wohnt an dem einen Ufer des Flusses Narew, Miłka, erzkatholische polnische Bauerntochter, auf der anderen Seite. Sie heiraten gegen den Willen ihrer Familien. Mischa, ein belesener, melancholischer Feingeist, folgt lieber dem Rhythmus der Natur als den großen oder kleinen Querelen zwischen den Menschen. Sie liebt das Spirituelle, Märchenhafte, für das in der neuen Zeit kein Platz mehr ist. Figuren aus der Vergangenheit werden lebendig: Mischas Eltern, die auf der Seite der Partisanen, erst gegen die Deutschen, dann gegen die Russen kämpften, sein Lehrer Franciszek, der in ihm die Leidenschaft für Literatur weckte, Nachbarn, die noch aus jeder politischen Wende siegreich hervorgehen, die aufregende Marianna Zającowa, genannt die Geliebte des Teufels, oder der hypersensible Jurek Bułka, der leidenschaftlich Geräuschen aus dem Inneren der Erde lauscht. Sie alle bringen uns die Geschichte, die gerade Podlasien heftig aufgemischt hat, auf persönliche, für uns neue Art nahe. Sie geraten zwischen die Fronten, werden aus ihrem alten Leben gerissen und müssen mit Katastrophen zu leben lernen: Kriege, nationale Konflikte, Einmarsch der Deutschen, Partisanenkämpfe, stalinistische Verfolgungen – und am Ende der alles durcheinander wirbelnde Kapitalismus …
Leseprobe:
»Ich habe dir nie etwas versprochen«, sagte er zu ihrem Rücken.
Seit kurzem erst war er kein Kind mehr, und schon lief er vor Verantwortung davon. Die Frau stand völlig regungslos da, nicht die kleinste Bewegung. Eine Wolke schob sich vor die Sonne und teilte die Küche in eine helle und eine dunkle Hälfte. Die Frau war bereits im Schatten, er noch in der Sonne. Es donnerte wieder. Er ging ohne ein Wort des Abschieds. Sofort kam ein Wind auf, trieb weitere Wolken vor sich her, wirbelte Blätter und Sand hoch.
Der junge Mann hielt nicht inne, sah sich nicht um. Er überquerte den Marktplatz und entschied, nicht auf den Bus zu warten. Von einem diffusen Impuls geleitet, schlug er den Weg zum Fluss ein. Kletterte die steile Böschung hinab. Das Wasser war dunkelgrau und gekräuselt. Er wusste, dass er nass werden würde, doch das störte ihn nicht. Er wollte nur laufen, laufen, laufen, bis er müde war.
Als er an den letzten Gebäuden vorbeikam, fielen die ersten Tropfen. Der Wind wühlte den bleigrauen Fluss auf. Ein Blitz schlug ins Wasser ein, ganz nah, und riss ihn aus seinen Gedanken. Er erschrak, aber nicht vor dem Gewitter, eher vor irgendetwas in sich selbst. Vielleicht vor seiner inneren Kraft? Seiner Jugend, die es ihm erlaubte, bis in die Morgenstunden dazusitzen und zu lesen, die seine Sehnsüchte befeuerte, seinen Körper in Bewegung setzte, ihm befahl, vorwärtszustürmen ohne einen Blick zurück, selbst wenn er eine schwelende Brandstätte hinterließ?
