Dorles Paradies. Novelle

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18,00 

Tuttlies, Frauke

Originalausgabe, 120 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag

»Die Art wie sie erzählt, ist schön: federleicht, schwebend, nicht moralisierend. Es hat mich richtig reingezogen und ich hab ein paar glückliche Stunden auf dem Sofa mit dem Buch verbracht.«
Elke Heidenreich über Frauke Tuttlies, Der geworfene Apfel, WDR 4

Nach »Herr Grundmann sagt Franziska« und »Der geworfene Apfel« das 3. Buch von Frauke Tuttlies bei TRANSIT.

Artikelnummer: 978 3 88747 406 5

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Categories: Belletristik, Erzählung, Roman

Beschreibung

Frauke Tuttlies erzählt in ihrem gewohnt unbeschwerten und poetischen Stil die Geschichte zweier Mädchen, die Cousinen sind, und von denen die eine geistig behindert ist. Dorle redet und agiert munter drauf los, folgt ihren unkonventionellen Einfällen, löst aber in ihrer Umgebung Irritationen aus. In der Familie wird darüber geschwiegen, was einfach ist, da Dorle nicht in dem Dorf aufwächst, aus dem die ganze Familie stammt, sondern in Afrika, im Kongo (dem damaligen Zaire) wohnt, wohin ihre Eltern ausgewandert sind. Ab und zu jedoch ist Dorle im Heimatdorf zu Gast, wird von Kindern dort beschimpft und als »bekloppt« tituliert, so dass ihre Cousine sie verteidigen muss und will. Jahre später besucht sie Dorle in Afrika. Sie verbringen ihre Zeit in dem paradiesischen Garten, der die Villa umgibt, in der Dorles Eltern wie in kolonialen Verhältnissen leben. Sie verbieten den pubertierenden Mädchen, ihn zu verlassen, da das in ihren Augen zu gefährlich ist. Und so ist den Mädchen dieser Garten, dieses Paradies, Lust und Gefängnis zugleich. Ihr unschuldiges Verlangen führt in eine existentielle Katastrophe, als Dorle sich immer wieder den männlichen Besuchern der Eltern nähert. Und das ist noch nicht das Ende der Geschichte, die lange vor den Mädchen begann…

Leseprobe:
Großvater ging zum Plattenspieler und legte die Tölzer Sängerknaben mit Liedern wie »Vom Himmel hoch«, »O Du Fröhliche«, »O Tannenbaum« und »Fröhliche Weihnacht überall« auf. Ich mochte die Lieder nicht. Und auch nicht die Tölzer Knaben, die alles gleich sangen. Aber Dorle war begeistert. Sie stand vorm Plattenspieler und meinte nach jedem Lied: »Nochmal«, und: »Die Engel singen.«
Ich war froh, als Großmutter ins Wohnzimmer kam und dem Ganzen ein Ende bereitete. Sie klatschte in die Hände und bat zu Tisch. Die Gans, die Klöße, der Rotkohl und die Soße schmeckten wunderbar, nur war ich etwas verwundert, als Dorle irgendwann ihr Besteck beiseite legte und mit den Händen zu essen begann. Sie griff sogar mit den Händen in die Schüssel mit den Klößen, um sich einen herauszufischen. »Dorle, bitte nicht!«, schimpfte Tante Barbara.
»Esst ihr in Afrika mit den Händen?«, wollte ich wissen.
»Die Afrikaner teilweise schon«, klärte Tante Barbara mich auf, »aber wir tun das nicht. Nicht wahr, Dorle?«
»Wir nicht«, bekräftigte Dorle und leckte sich genüsslich ihre Finger ab.