Beschreibung
Eine kleine Sensation: Ivan Klímas »Stunde der Stille« ist sein erster Roman, ein in Deutschland unbekannter Schlüsselroman, der nach seinem Erscheinen in Prag 1963 schnell vergriffen war und dann der Zensur zum Opfer fiel…
Da ist der idealistische Landvermesser und Ingenieur Martin Petr, der aus Prag in die ferne Ostslowakei geht, um Bauern und Dörfer vor Überschwemmungen zu retten. Da ist Pavel, ein junger Mann, der den Älteren gern zuhört und schnell lernt; oder der Partisan Smoljak, der nach dem Verräter sucht, der seine ganze Familie den Nazis ausgeliefert hat (das war der sehr fromme Pfarrer); der pazifistische Holzfäller, der aus Kanada zurückgekommen ist und im Dorf als »Arzt« sowohl für Menschen wie für Tiere zuständig ist, aber bald verhaftet wird; es sind Frauen, die endlich aus den bäuerlichen Traditionen ausbrechen wollen; es sind (zu Recht) misstrauische und sture Bauern, die Agitatoren mit Knüppeln vom Hof treiben; stalinistische und korrupte Funktionäre, die mit allen Mitteln ihre Macht sichern; es sind Säufer, Marodeure, versprengte Soldaten – ein wildes Panoptikum unterschiedlichster Biographien und Interessen, das sich aber im Laufe des Romans zu einer einzigen und unausweichlichen Erkenntnis bündelt.
Der Roman basiert auf einer langen Recherche für einen Spielfilm, den Klíma über die Entwicklung des Sozialismus in der Ostslowakei, einer völlig unterentwickelten, armen und weithin unbekannten Region zwischen Polen, der Ukraine und Ungarn, mitgestalten sollte. Der Film durfte nicht produziert werden, seine Notizen und Erlebnisse verarbeitete Klíma zu einem Roman, der die Zeit vom Kriegsende bis Anfang der fünfziger Jahre umspannt.
Pressestimmen
Frankfurter Rundschau Mathias Schnitzler
»Das Schweigen des Dorfes bezwingt den Fortschritt. Auf diese Formel lässt sich Ivan Klímas Debütroman bringen. Sein nun erstmals auf Deutsch zu entdeckendes Buch aus dem Jahr 1963 ist eine wirklichkeitsgesättigte und zugleich hochpoetische Ballade vom Scheitern einer hehren Idee in einer ostslowakischen Flusslandschaft, in der das Hochwasser seit jeher den Rhythmus des Lebens bestimmt. Es geht aber auch um den Stolz und das Selbstverständnis eines von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg als ›Partisanengegend‹ schwer versehrten Landstrichs. Raffiniert unterläuft Stunde der Stille die Gattung des Aufbauromans, der nicht nur in der DDR ›vom Urschlamm in die LPG‹ führen sollte, wie ein geflügeltes Wort lautete. Die Passivität der Dorfbewohner, die für die Kollektivierung ihre letzten Sicherheiten opfern sollen, treibt die Parteifunktionäre in die Verzweiflung. ›Diesen Roman zu schreiben, war für mich damals sehr anspruchsvoll‹, sagt der heute 80-Jährige. ›Ich hatte Befürchtungen, ob ich es schaffen würde, auch die Seele, das Denken, die Gefühle der Menschen zu erfassen.‹ Er hat es geschafft.«
7.5.2012