Wir Sklaven von Suriname

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20,00 

Kom, Anton de

224 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag

Mit Beiträgen von Tessa Leuwsha, Mitchell Esajas und Duco van Oostrum
Aus dem Niederländischen übersetzt von Birgit Erdmann

»Wenn wir uns die Geschichte der Schwarzen vor Augen führen, denken wir an Martin Luther King, Marcus Garvey, Malcolm X, Rosa Parks. Anton de Kom gehört genau in diese Reihe.«
Mitchell Esajas, Mitgründer von New Urban Collective

Auf der HOTLIST 2021 und damit eines der »Zehn besten Bücher aus unabhängigen Verlagen«

Originalausgabe: Wij slaven van Suriname, atlas contact, Amsterdam, 2020
Die Publikation wurde gefördert vom Nederlands Letterenfonds
Cover @ David Drummand

Artikelnummer: ISBN 978 3 88747 383 9

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Beschreibung

Anton de Koms Buch wurde 1934 zum ersten Mal in Amsterdam veröffentlicht, dann zensiert, dann verboten. 1980 wurde es wiederentdeckt und 2020 in der holländischen Originalfassung veröffentlicht – und zum Bestseller. Das
ist angesichts seiner politischen Aktualität nicht verwunderlich, es ist nicht nur eine Biographie, es ist eine Anklage gegen Rassismus, Ausbeutung und koloniale Unterdrückung – und deshalb so aktuell.
De Kom, Nachkomme surinamesischer Sklaven, Journalist und politischer Aktivist, von der holländischen Kolonialmacht verfolgt, ausgewiesen, inhaftiert und nach Protesten wieder frei, war einer der Ersten aus den europäischen Kolonien in Amerika, der in einem eindrücklichen und spannenden Manifest gegen den Kolonialgeist, gegen die brutale Unterdrückung und Versklavung, gegen die Überheblichkeit und Arroganz der weißen Eroberer protestierte. Er erzählt, wie Suriname (Nordostküste Südamerikas) erobert wurde, wie das »Eldorado« mithilfe von Sklaven ausgeplündert, die Eingeborenen vertrieben und teilweise durch »importierte« Sklaven aus Indonesien und Afrika ersetzt wurden. Und er entwirft das Bild einer internationalen menschlichen Gemeinschaft, die von Gleichheit, Toleranz und Solidarität geprägt ist. Dieser Haltung blieb er trotz aller Verfolgungen treu. Während des Zweiten Weltkriegs schloss er sich dem holländischen Widerstand gegen die Nazi-Besatzung an, wurde von der Gestapo verhaftet und nach Deutschland deportiert, wo er im April 1945 im Konzentrationslager Neuengamme (bei Hamburg) starb.

Leseprobe:
»SRANAN«, UNSER VATERLAND

Vom 2. bis zum 6. Grad südlicher Breite und vom 54. bis 58. Grad westlicher Länge, zwischen dem Blau des atlantischen Ozeans und der Unwegsamkeit des Tumuk-Humak-Gebirges, das die Wasserscheide mit dem Amazonasbecken bildet, begrenzt durch die breiten Ströme Corantijn und Marowijne, die uns von Britisch- und Französisch-Guyana trennen, reich an ausgedehnten Wäldern, in denen der Grünherz, der Barlak, der Kapokbaum und der edle Braunherz wachsen, reich an breiten Flüssen, an denen Reiher, Wieswiesies, Ibisse und Flamingos ihre Brutplätze finden, reich an Naturschätzen, an Gold und Bauxit, an Kautschuk, Zucker, Bananen und Kaffee … arm an Menschen, ärmer noch an Menschlichkeit.
Sranan – unser Vaterland.
Suriname, wie die Holländer es nennen.
Die zwölfte und reichste … nein, ärmste Provinz der Niederlande.

Zwischen der Küste und den Bergen schlummert unsere Mutter, Sranan, seit Tausenden und Abertausenden von Jahren. In ihrem unbekannten Binnenland hat sich in den dichten Wäldern seit damals nichts verändert.

Die Urwälder im Hochland scheinen in ewigem Schweigen erstarrt, erst bei Einbruch der Nacht erwacht ihre verborgene Musik, gespielt von tausenden summenden Insekten. Romantischer, doch zugleich auch wilder, ist die Landschaft in den Savannen und entlang der Ufer der Flüsse. Die Schlingen der Lianen, die wie Draperien von den Bäumen hängen, versperren den Weg, wilde Orchideen blühen, hier leben die scheuen Patjieras, Kapuzineraffen balancieren auf den Ästen, Papageien stoßen ihre schrillen Schreie aus, der Jaguar lauert. Mit spitzer Zunge sucht ein Gürteltier nach Ameisen.
Seit tausenden Jahren waren Mutter Sranans dunkle Wälder unberührt und unerforscht. Sonderbare Tiere, deren Namen man im Westen kaum kennt, leben hier: Kleine Ameisenbären, Baumstachler, die Vireos, die Tanagras, die Tiegrinmans und die Blaudachse, Pfefferfresser sitzen oben in den Palmenkronen und Tagfalter schwirren umher, die glitzernd blauen Morphos, die gelben und orangefarbenen Callidryas erheben sich bis hoch in die Wipfel der Bäume.

Menschen?
Menschen, die sich an dieser Schönheit erfreuen können, gibt es kaum.
Landeinwärts leben die Warans, die Arawaks und die Kariben, schwa­che, vom Aussterben bedrohte Indianerstämme, ­machtlose Nachkommen der Urvölker, die von den Weißen aus den schönsten Orten verdrängt wurden. Im Hochland fertigen die Trios und die Ojanas Perlenketten und kunstvolles Flechtwerk, ihr feiner Tanzschmuck zeugt von einem angeborenen Sinn für Schönheit.
Ungefähr 2450 Indianer und ungefähr 17 000 Marrons, die Busch­neger, über die wir später noch sprechen werden, leben hier.
Also höchstens zwanzigtausend Menschen bevölkern Sranans Landesinnere, das knapp fünf Mal so groß ist wie die Niederlande. Ansonsten tummeln sich in den Wäldern nur Agustis und Faultiere, Mandrillen, Tapire und Wasserschweine, Brüllaffen, Ameisenbären und Anakondas.

An Mutter Sranan ist die Geschichte vorübergezogen. Drei Jahrhunderte holländische Kolonisation haben ihr Binnenland unberührt gelassen, die Stromschnellen ihrer Flüsse treiben keine Turbinen an, die fruchtbaren Böden sind nicht besät, die reichen Schätze der Wälder nicht abgebaut. In bitterster Armut und in jämmerlicher Unwissenheit leben die wilden Stämme inmitten einer Natur, in der der Überfluss ungenutzt verlorengeht.
Weiße wagen sich selten in diese Wildnis, in der nur die Indianer und Marrons die Wege kennen. Entlang der Flussläufe dringt manchmal ein französischer Libéré, ein britischer Rowdy, ein holländischer Forscher ins Landesinnere vor. Sie setzen ihr Messer an die blanke Rinde der Bolletries und lassen den kostbaren Milchsaft fließen. Doch der Libéré kehrt zur Küste zurück, in seinem Whiskyrausch trinkt sich der Rowdy an einem einsamen Lagerfeuer zu Tode, der Holländer lässt sich von den Marrons in einem Kanu den Fluss hinabfahren. Die Wildnis bleibt zurück, die Wunden des Kautschukbaums verheilen, das verlassene Lager wird von Schlingpflanzen überwuchert.
Im Binnenland von Sranan findet sich nicht die leiseste Spur von holländischem Einfluss, holländischer Energie, holländischer Kultur, an keinem Weg, keiner Brücke, keinem Haus steht holländische Geschichte geschrieben. Die Weißen kannten nur die Furcht vor der Wildnis, in der die entlaufenen Sklaven Zuflucht suchten.
Einzig ein paar armselige verwahrloste Bahngleise, die ins Nirgendwo führen und niemals vollendet wurden, zeugen von einem kurzen wahnsinnigen Goldtraum.

Die weiten Flächen der Savannen, die Wälder und hohen Granitberge von Mutter Sranan schlummern seit hundert Jahrhunderten.
Für sie wurde noch keine Geschichte geschrieben.
Nur auf dem schmalen Küstenstreifen, hier und da an den Mündungen der großen Flüsse und auf den allerfruchtbarsten Alluvialböden weht das Rot, Weiß und Blau der holländischen Flagge.
Rot –
»Schauen Sie, Mutter«, sagt der kleine weiße Junge aus dem wunderbaren Buch Omdat ik zwart ben (Weil ich schwarz bin) von Madeleine Pax verwundert – »schauen Sie nur, auch die Neger haben rotes Blut!«
Weiß –
Die Farbe von Crommelins Friedensverträgen.
Und Blau? –
Ist es die Farbe unseres Tropenhimmels, zu dem wir durch die dunklen Blätter unserer Bäume aufblicken, um am funkelnden Glanz der Sterne das Versprechen für ein neues Leben abzulesen?
Nein, es ist das tiefe Blau des Atlantiks, über den einst die Sklavenbeschaffer ihre afrikanische Beute, ihre lebende Handelsware, unsere Eltern und Großeltern, in ihr zukünftiges Vaterland Sranan transportierten.

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Pressestimmen

Das Lateinamerika Magazin (ila) Gert Eisenbürger
Anton de Koms Buch „Wir Sklaven von Suriname“ war offenbar zu wahr, um akzeptabel zu sein. Schon seine Editionsgeschichte zeigt, dass man lange lieber wegsah. Als eines der frühesten antikolonialen Werke wurde es bereits 1935 in einer Übersetzung der Schriftstellerin Augusta de Wit auf Deutsch veröffentlicht… Nun ist Anton de Koms Klassiker in neuer Übersetzung von Birgit Erdmann endlich wieder auf Deutsch zugänglich, mit persönlichen Vorworten von Tesa Leeuwsha und Judith de Kom, der Tochter des Verfassers, sowie zwei interessanten Aufsätzen von Duco van Oostrum über die literarische und von Mitchel Esajas über die historisch-politische Bedeutung Anton de Koms und seines Werks.
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morehotlist Magazin der unabhängigen Bücher & Buchmenschen Ein Gespräch mit dem Transit Verlag
Warum haben Sie sich bei der Einreichung zur Hotlist für Wir Sklaven von Suriname von Anton de Kom entschieden? Was macht das Besondere des Buches aus?
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BookGazette Nick Lüthi
Ein Buch, das selbst so ungeheuerlich ist, wie die Wahrheiten, die es erzählt. De Kom erzählt die Geschichte Surinames mit penibler Detailtreue … De Kom schreibt gewissenhaft, beruft sich oft auf Originalquellen und die darin verschriftlichten Begebenheiten … Trotz dieser Quellenbeflissenheit, trägt der Text viel literarische Wucht. Stellenweise schon fast poetisch, andernorts wieder mit kühler analytischer Schärfe, aber immer mit der glühenden Feder des Anklagenden … Besonders gelungen ist Erdmann der Wechsel zwischen den poetischen Passagen und dem verklausulierten Kolonial- und Beamtendeutsch, das sich in den vielen Zitaten und Hinweisen auf die Ereignisse häufig findet.
3.5.2021
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Der Tagesspiegel Rolf Brockschmidt
De Koms Buch ist ein Schrei nach Gerechtigkeit. Er erzählt mit einem lakonischen, oft sarkastischen Unterton, immer aus der Sicht der Sklaven. Er schildert den Alltag in der Kolonie, das herrische Auftreten der Weißen, die Leiden der unterdrückten Bevölkerung. Und er setzt den Einheimischen ein Denkmal, die sich den Niederländern widersetzten. ›Wir Sklaven von Suriname‹ ist ein bewegendes Buch, das Versagen und Gräuel der niederländischen Kolonialherrschaft anprangert.
6.9.2021
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Bayerischer Rundfunk BR24 Moritz Holfelder
»Wir Sklaven von Suriname« ist in Bezug auf den aktuellen Umgang mit den Zeiten des Kolonialismus das Buch, das man unbedingt gelesen haben muss. … so fesselnd wie einfühlsam.
23.8.2021

Perlentaucher Rezensionsnotiz zur FAZ
Rezensent Andreas Eckert verweist auf die Aktualität des zuerst 1934 veröffentlichten Textes von Anton de Kom. Der selbst als Kind einer Sklavenfamilie in Suriname geborene Autor, der für sein Engagement gegen die Sklaverei von den Niederlanden sanktioniert wurde, beschreibt darin laut Rezensent die Gewaltgeschichte der niederländischen Kolonialherrschaft in Südamerika. Der Leser lernt das Geschäft mit menschlicher Arbeitskraft kennen, erfährt, wie sich das Schicksal der Sklaven gestaltete, und inwieweit sie sich ihrem Schicksal entgegenstellten. Eine Mischung aus Geschichtslektion und Anklage, so Eckert.

Frankfurter Allgemeine Zeitung Andreas Eckert
Vielerorts in Europa äußert sich zunehmend Kritik an der unzureichenden Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit. Bereits 1934 in den Niederlanden veröffentlicht, wurde Anton de Koms »Wir Sklaven von Suriname« sogleich wieder verboten. Nun liegt es erstmals auf Deutsch vor und erlangt neue Aktualität im Zusammenhang der Debatten. Es ist eine Mischung aus politischer Anklageschrift und historischer Darlegung, die eindringlich die Gewaltgeschichte der Kolonialzeit in dem südamerikanischen Land nachzeichnet.
6.8.2021

Süddeutsche Zeitung Harald Eggebrecht
Ein kämpferisches Pamphlet, das den Blick auf das lenkt, was Sklaverei genannt wird … De Koms Kampfschrift beflügelt ein literarischer Schwung, der sich endlich auch in der sorgfältigen Neuübersetzung von Birgit Erdmann im Deutschen entfalten kann.
24.6.2021
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Radio Berlin Brandenburg, Inforadio, Starke Sätze Ute Büsing und Nadine Kreuzahler
… es ist ein erschütternder Bericht, ein kämpferisches Manifest, eine Gesellschaftsanalyse, ein Kommentar. Es liest sich sehr gut, immer wieder scheinen poetische Momente auf, Reflexionen, ein Innehalten und auch spöttische Spitzen, eingeschobene persönliche Gedanken von de Kom. Er schreibt sehr auf den Punkt und auch sehr mitreißend, ein Text der innerhalb der Kolonialismus-Debatte unheimlich wichtig ist. Ein hellsichtiger Text, der schon damals alle die Folgen, die Sklaverei und Kolonialismus bis heute haben herausgearbeitet.
23.5.2021

Perlentaucher Willkommen zu den besten Büchern des Monats!
Anton de Kom ist mit seinem Buch »Wir Sklaven von Suriname« eine Empfehlung des Perlentauchers zu den besten Bücher des Monats Mai im Bereich Sachbuch.
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Junge Welt Gerd Bedszent
Das gerade in deutscher Übersetzung erschienene, in den 1930er Jahren entstandene Buch »Wir Sklaven von Suriname« ist gleich in doppelter Hinsicht interessant: Einerseits, weil es ein Stück vergessener oder auch verdrängter europäischer Kolonialgeschichte wieder ins Gedächtnis ruft. Und zum anderen wegen der im Vor- und im Nachwort ausführlich dokumentierten Biographie des Autors. »Wir Sklaven von Suriname« ist eine Mischung aus politischer Kampfschrift und einem Geschichtswerk aus der Sicht der unterdrückten und rassistisch diskriminierten Mehrheitsbevölkerung von Suriname. Der Autor war in mancherlei Hinsicht seiner Zeit ohne Zweifel weit voraus; verschiedene Sätze des Buches könnten aus der Zeit linken Antikolonialismusdebatte der 1960er Jahre stammen. Unter anderem forderte er für Suriname einen »großen Plan (…) des nationalen Aufbruchs (…) mit kollektiven Großbetrieben, mit modernem Rüstzeug in den Händen der surinamischen Arbeiter«. Doch zunächst sollten »die Proletarier in unserem Land zu einem kämpferischen Klassenbewusstsein kommen« und »mit den alten Sklavenketten auch die alte Sklavenmentalität abschütteln«.
10.5.2021
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Junge Welt e.s.
Leute, gönnt euch diesen Klassiker!
17.4.2021
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Deutschlandfunk Kultur Lesart Carsten Hueck
Ein eindringliches – im Ton der Neuen Sachlichkeit geschriebenes, immer auch von hymischen Passagen und poetischen Bildern durchbrochenes – Stück Literatur. Es ist politischer Kommentar, Essay, Geschichtsschreibung und Autobiografie. Wer von Zeitungsartikeln zum Kolonialismus gelangweilt ist, findet hier alles, um in das Thema einzutauchen … So geschmeidig mit Sprache umgehen zu können, wie es de Kom tut, ist eine Demonstration der Teilhabe an einer (weißen) Kultur, die gerne exklusiv bliebe … es macht rassistische und kolonialistische Strukturen sichtbar, um Humanität zu beschwören. Seine Schilderungen öffnen uns die Augen und berühren unser Herz.
15.4.2021
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Besprechungsdienst für Bibliotheken Reinhild Khan
Suriname, ein wenig besiedeltes Land im Nordosten Südamerikas, über 300 Jahre
holländische Kolonie, erlangte erst 1975 die Unabhängigkeit. Der Wohlstand der Kolonie
wurde durch Sklaven erwirtschaftet, die aus Afrika als Handelsware eingeführt wurden.
Anton de Kom, 1898 dort als Enkel von Sklaven geboren, lebte ein wechselvolles Leben
zwischen Suriname und Holland als Autor und politischer Aktivist. Überzeugendes Beispiel
dafür sein 1934 erstmals veröffentlichtes Werk, ein antikolonialistisches und antirassistisches
Manifest, in dem er die von Ausbeutung, Armut und den Misshandlungen an seinen
Vorfahren zur Zeit der Sklaverei und danach durchzogene Geschichte Surinames erzählt. Mit
z.T. bitterem Sarkasmus zeichnet er die Methoden der Unterdrückung durch die weißen
„Herren“, unterbrochen von Aufständen und Revolten, nach. – Basierend auf intensivem
Quellenstudium ist dieser Bericht von großer Genauigkeit, intellektueller Schärfe und
literarischer Eindringlichkeit. Ein Text, dessen Brisanz fortbesteht und z.B. neben A. Césaire:
„Über den Kolonialismus“ unbedingt in größere Bestände gehört.